Frauen

Samstag, 23. April 2005

Kartoffelsalat

Um Frauen zu vergessen, nimmt man am besten das Gift als Gegengift, ähnlich wie bei der Homöopathie – aber die Dosierung ist anders. Ein Tropfen Frau in einem Meer von Berlin reicht nicht aus, den Schmerz zu beseitigen, den das Weib, welches für den Hormontremor sorgt, verursacht. Ich nahm gleich die doppelte Dosis.

Also stand ich galant und montiert mit zwei wohlkonturierten jungen Damen in blondester Stimmung (wir alle drei, nicht nur das andere Geschlecht) in einer Bar. Wir plauschten sehr erregt und beflügelt. Ich glaube das Thema Winter- und Sommerreifen nahm gerade Gestalt an – die Jahreszeit ist ja gerade danach –, als ich, im Moment leise beobachtend dachte: Kartoffelsalat.

Ich war verblüfft. Wo kam jetzt dieser Gedanke her. Gleich auch formte sich das schönste Bild eines Tellers voller Kartoffelsalat mit Speck und – war das Schnittlauch oder sah ich Gürkchenstücke? Dann sog ich, so täuschend echt war die Vision (natürlich macht das der Hirnapparat wie von selbst, wenn die richtigen Synapsen nur angeschoben werden) auch sofort den wunderbar säuerlichen Duft des Essigs, der sich mit dem rauchigen Speck vermählte durch die Nase. Die Illusion war respektabel, der Hunger entflammt, das Gespräch vergessen. Ich stand da, den rechten Ellbogen auf der Theke, daneben, unverrückbar, der Becher mit dem feinsten Long Island Icetea, das Lächeln, aller Verblüffung zum Trotz, festverankert und strahlend wie je, die beiden Geschöpfe sicher im blauäugigen Blick, und ständig hämmert der Gedanke, die Vision des Kartoffelsalates gegen das Schädelrund. Kartoffelsalat, Kartoffelsalat, Kartoffelsalat.

Die Sache ist natürlich profaner als Pinkis Käsekuchen, aber nichtsdestotrotz erwähnenswert. Und die Konsequenzen aus dieser Situation eigentlich voraussehbar. Denn den Gedanken also auf beinahe allen Sinnesebenen empfangen, formierte den Drang, das auch auszusprechen. Dieses kuriose Bild, es musste in die Welt getragen werden. Sicher, sicher, des Risikos war ich mir durchaus bewusst. Aber hatte nicht auch Herr Wilde selbst Freundschaften für ein Bonmot aufs Spiel gesetzt. Und die Sache mit den aparten Weiblichkeiten vor mir war ja auch keineswegs spruchreif oder gar zwischen ihnen entschieden – ich meine natürlich von meiner Seite. Nun, ich fackelte nicht lange, und bei Lichte betrachtet war an ficken gar nicht zu denken. (Den Ausdruck benutze ich nur wegen der Alliteration und dem Binnenlaut, sonst würde ich jetzt etwas ganz anderes verzeichnet haben.) Zuletzt, dachte ich mir, gäbe es ja zumindest noch einen dritten und gar vierten Long Island. Aber auch da kam ich nicht ganz auf meine Kosten.

Ich wartete einige Sekunden, bis eine Pause im Sprachakt der Begleitungen kam und setzte mich sofort in die Nesseln. Moment, das klingt jetzt harsch, ist aber reflexiv zu verstehen: nicht die Damen sind Nesseln, sondern ich versaute mir die Aussichten auf den angenehmen Abschluss der nächtlichen Kneipenaktivität. Sagte ich schon, dass es eine Bar war.

Also gut, ich erklärte leichthin, wie sehr ich jetzt an Kartoffelsalat dächte. Genau zu einem Zeitpunkt, als alle anwesenden am wenigsten darauf gefasst waren. Offenen Mundes schauten mich die zarten Wesen nun an. Las ich nicht auch Entgeisterung, Unverständnis und – Mitleid in den so schönen blauen Augen.

Damit war die Sache schon mal geklärt. Vögeln war jetzt nicht mehr möglich. Weder die eine. Noch die andere. Noch auch Beide. Wie bescheuert kann ein Mann dastehen, der angesichts zweier elfengleichen Geschöpfen, jedes auf seine besondere Art begehrenswert, an Kartoffelsalat denkt und das auch noch mitteilt. Offensichtlich hatte ich die Latte wieder einmal ein Stück höher gelegt und locker gemeistert.

Die Gesprächsführung wurde mir kurzerhand entrissen, fortan wurde ich als stummer Zuschauer stillschweigend geduldet. Das gab mir allerdings ausreichend Spielraum, mich mehr mit dem Long Island zu beschäftigen. Das kann durchaus auch anregend sein, verliert aber doch an Reiz, wenn endgültig ins Bewusstsein dringt, dass man einmal mehr planlos agierend nicht zum Ziel gelangt. Als flexibler Mensch und echtes Arbeitstier, fokussierte ich gleichwohl weiter den Long Island. Aber auch da schienen die Hürden erhöht worden zu sein. Nachdem ich am fünften genippt hatte, zwang mich eine innigliche Kalamität auf die Toilette, wo ich im Arme die Schüssel mich an einem Zwiegespräch mit der Spülung delektierte.

Alles in allem ein erfolgreicher Abend und eine wunderbar ruhige Nacht: Nicht einen Gedanke verschwendete ich an das geliebte Wesen. Das ist perfektes Vergessen.

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..die sich anmutig liest und neugierig macht auf weitere................... .......
mathematikos - 3. Mai, 20:00

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