Dienstag, 26. April 2005

Hormone

Mein Beispiel an dieser wunderbaren und irgendwie, nicht aber in meinem Hirnschräubchen, i. e. die Einbildung, auch realen Frau, hat etwas bezauberndes (gemeint ist natürlich jene Christina): Allein durch ihre Abwesenheit hegte ich die treuesten Gedanken und Wünsche an diese Hormonfiktion. Es hat etwas tröstliches, nicht ständig einer unmittelbaren Reizung asugesetzt zu sein. Daher auch das erschreckende Beispiel des leicht verrückten Lenz, ein stiller und treuer Artverwandter. Seine Geschichte ist erlesen und endete leider mit einem Exitus. – Nein, nein, es kam niemand wirklich zu Schaden. Aber das Herz, diese muskolöse, aber doch so empfindsame Maschine, die den gesamten Aparat am Laufen hält, bekam etwas ab. Und das Schöne daran, Lenz wusste noch nicht einmal so recht warum:

Die Symptome waren eindeutig. Da mochte Lenz grübeln, schreien, stöhnen, weinen, da half weder bittere Schokolade noch hochprozentiger Single Malt Whiskey in jeweils ungebührlichen Mengen: Die Hormone standen auf »verliebt«. Klar wusste er um die Vergänglichkeit von so ein paar Molekülspritzern im Kreislauf – oder saßen die nur im Hirn? Und Lenz arbeitete dagegen an. Immer wieder hämmerte er sich ins Bewusstsein, dass er es an dieser Stelle ausschließlich mit dem Sexualtrieb zu tun hatte, der wiederum voll und ganz auf dem Arterhaltungsprinzip beruhte. Das war Natur. Aber der wollte er sich nicht beugen. Also kämpfte er diesen unfairen Kampf mit dem eigenen System.

Unfair war allerdings auch, dass der Kampf so oder so vergebens war. Denn die Person weiblichen Geschlechts, eine entzückende, groß gewachsene schlanke Frau, die herrlich anzuschauen und mit der sehr angenehm zu plauschen und flapsen war, war ihrerseits schwerstens verliebt. Aber natürlich nicht in Lenz, sondern in einen wunderschönen, gutgebauten Mann, der vor langer Zeit ihr Prinz auf dem weißen Pferd war, bis er sie vor mehr als einem Jahr fallen gelassen hatte. Von da an war er der nicht mehr anwesende Prinz auf dem weißen Pferd. Prinz aber blieb er.

Dem schönen Prinzen trauerte sie noch immer hinterher, und den begehrte sie wieder für sich zu gewinnen. Dabei war sie auf dem richtigen Weg, ohne Frage. Und Lenz unterstützte sie dabei.

Nicht das Lenz ein Idiot war oder einfach blöd. Sein Handeln hatte Kalkül. Denn, das war ihm von Anfang an völlig klar, jeder Mann, der dieses wunderbare Frau eroberte, würde bei ihm eine Eifersucht auslösen, die ungleich schlimmer wäre als sein bereits Monate andauerndes Schmachten. Hingegen war völlig klar, dass der vorangegangene Liebhaber gewissermaßen legitimiert war, dieses wunderbare Geschöpf wieder zu besitzen: er besaß die prioritätsälteren Rechte. Aber auch das war es nicht eigentlich, sondern vielmehr, wenn er nicht der erstrebenswerteste und beste für sie war (was er aus seiner Sicht in beinahe jedem Falle ganz sicher war), dann wäre das die höchste Form der Missachtung und Beleidigung, die ihm hätte widerfahren können. Das konnte er nicht erdulden.

Also blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sie auf ihren alten Geliebten zu hetzen, um sie von jedem anderen potentiellen Sexual- und Lebenspartner abzuhalten.

Davon abgesehen stellt er sich natürlich immer auch die Frage, ob die Hormonanhäufung in seinem Innern sich wirklich auf diesen billigen Mythos Fortpflanzung beschränkte oder ob hier tatsächlich, was er insgeheim wünschte und hoffte, die wunderbare Wahrhaftigkeit der umfassenden Lebensgestaltung in Form einer Partnerschaft mit diesem Menschen mit umfasst war. Die Chancen für letzteres standen jedoch schlecht – was er aus Erfahrung bestens wusste. Der Hormonstrom liess irgendwann, früher oder später, nach. Und was kommt dann?

Bei dieser Frage war Lenz immer wieder an den wunderbaren Film »The Palm Beach Story« von Preston Sturges erinnert: Was kommt nach dem Happy End? Die Einsicht, das Drama, die Trennung, die Wiederfindung und schließlich doch wieder ein Happy End?
Oder nur – neben »Magic Christian« – die groteskeste Jagdszene der Filmgeschichte?

Letzteres war natürlich reiner Quatsch: die Jagdszene war sicherlich eine der groteskesten, aber Lenz würde in keine Jagdszene geraten, dazu war er zu träge und unbeweglich. Er war auch zu wenig Jäger. Und natürlich war es wieder einmal typisch für Lenz, der Realität aus dem Wege zu gehen und sich Gedanken über Filme und Szenen sowie deren Übertragung in seine Lebenswirklichkeit hinzugeben, anstatt die eigentliche Frage zu beantworten. Wie sollte das verdammt noch mal weiter gehen? Das Gefühl von Sehnsucht und Einsamkeit machte ihn fertig. So war es aber immer, wenn die verliebte Frau verschwand.

Die ersten Tage, nachdem sie weg war, wie alle drei bis vier Wochen zurück gefahren in die alte Heimat, kamen Lenz unsagbar leer und öde vor, was genau genommen das gleiche war, aber ihn nicht weiter störte, solange es seinen Zustand zu beschreiben half. Rastlos tigerte Lenz durch seine Wohnung, Er liess kein Wortklischee aus. Er tigerte. Die Kaffeepausen waren tröge. Er nervte sich selbst, weil er so auf die Abwesenheit reagierte. Und er wusste doch, dass er über kurz, nach ca. 5 Tagen, wieder in den Normalzustand zurückglitt. Jetzt aber fühlte er sich auf Entzug. Das hatte etwas von einer Krankheit: Gefühle? Nein: Das Abfallen der Hormonproduktion, das herunter kommen von der Droge, die ihn während ihrer Anwesenheit pushte, das Leben mit wärmeren Augen sehen liess. Wann würde sich das ändern. Immerhin verfolgte ihn das bei ihr bereits drei bis vier Jahre, wenn er sich richtig erinnerte. Das war ja nicht normal. – Oder eben doch: kurierbar nur durch Vollzug des Geschlechtsakts, mit dem die aristotelische Ernüchterung einher ging. Doch letzteres war nicht zu erringen, solange sie nur an den andern dachte.

Lächerlich. Die Situation, in der sich Lenz befand war einfach lächerlich. Er wusste genau, was mit ihm vor sich ging und konnte sich dem doch nicht entziehen. Einmal mit ihr schlafen, und der ganz Zauber wäre vorbei. Das wäre doch Mittel und Ziel in einem. Die Erfüllung. Dann wäre er gedanklich auch wieder frei, sich an andere Frauen zu wenden. Doch solange seine Hormone auf sie ausgerichtet waren, dümpelte er an jeder amablen Weiblichkeit interesselos vorbei. Klar bemerkte er Frauen und Mädchen um ihn herum, aber – sie mochten ihm noch so sehr gefallen – er achtete nicht weiter drauf, seine Hormone reagierten nicht, Lenz verliebte sich nicht. Das war irgendwie auch schön, weil ein Hinweis auf die Möglichkeit der Monogamie. Aber das er monogam war, wusste er schon, das brauchte die Praxis ihm nicht noch so gründlich vor Augen zu führen.

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mathematikos - 3. Mai, 20:00

eine schöne,stille geschichte...

..die sich anmutig liest
und neugierig macht
auf weitere..........................

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eine schöne,stille geschichte...
..die sich anmutig liest und neugierig macht auf weitere................... .......
mathematikos - 3. Mai, 20:00

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